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Corona im Fokus Detailansicht

Corona im Fokus: HHU-Expertise zur Pandemie
"Die Krise ist noch lange nicht vorbei"

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist einer der wichtigsten Wirtschaftsindikatoren und zeigt die konjunkturelle Entwicklung einer Volkswirtschaft. Ende August hat das das Statistische Bundesamt die offiziellen Zahlen für das zweite Quartal vorgelegt: Im Vergleich zum Vorquartal ist der Gesamtwert der produzierten Waren und Dienstleistungen um 9,7 Prozent eingebrochen – der stärkste jemals gemessene Rückgang. Volkswirt Jens Südekum kommentiert:

Jens Südekum, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, kommentiert die aktuellen Quartalszahlen des Statistischen Bundesamtes (Foto: DICE).

Die Statistiker hatten aber noch viel überraschendere Zahlen parat. Da sind zunächst die privaten Haushaltseinkommen. Sie geben an, wie viel Geld insgesamt für Konsumausgaben zur Verfügung steht. Im Vergleich zum BIP war der Rückgang deutlich moderater – gerade mal 0,8 Prozent. Und zum anderen ist da die private Sparquote. Sie stand schon vor der Krise bei etwa 12 Prozent, ein sehr hoher Wert im internationalen Vergleich, und machte nun einen gewaltigen Satz auf über 20 Prozent.

Was besagen diese Zahlen? Zunächst zeigen sie, dass der Staat in der Krise wie eine große Versicherung funktioniert hat. Die dramatischen Rückgänge bei Löhnen und Gewinnen wurden aufgefangen durch Liquiditätshilfen, Transferzahlungen und vor allem das Kurzarbeitergeld. Aber die Menschen geben dieses Geld nicht aus. Teilweise mag das daran liegen, dass es bestimmte Konsummöglichkeiten (wie Konzerte oder Urlaube) weiterhin nur eingeschränkt gibt.  Doch vor allem zeigt sich darin eine große Verunsicherung. Daran ändern auch vereinzelte optimistische Signale nichts. Einige Branchen laufen schon wieder prima. Meldungen von leer gekauften Fahrradläden machen die Runde. Der ifo Geschäftsklimaindex zeigt eine Aufhellung. Doch fürs Erste halten die Menschen ihr Geld zusammen – aus Sorge vor dem weiteren Pandemieverlauf und der Arbeitsmarktentwicklung.

Das bedeutet: die Corona-Krise ist noch lange nicht vorüber. Die lauter werdenden Unkenrufe, so allmählich müsse doch mal Schluss sein mit der staatlichen Rettungspolitik, sind deshalb verfrüht. „Wir können nicht jeden retten“, heißt es jetzt. Das sei viel zu teuer, behindere den notwendigen Strukturwandel und lasse Zombie-Firmen am Leben, die besser verschwinden sollten.

Im Einzelfall mag das stimmen. Die Welt geht nicht unter, bloß weil ein Szenelokal mangels Kundschaft schließen muss. Zumal es ja irgendwann die Wiedereröffnung feiern kann. Aber man muss aufpassen, solche Anekdoten nicht auf die Gesamtwirtschaft zu verallgemeinern.

Wenn der Staat als Versicherung ausfällt, dann gesellen sich sinkende Haushaltseinkommen zum gestiegenen Vorsichtssparen und die Krise verschlimmert sich wieder. Dann ist es schnell passé mit den positiven Geschäftserwartungen, denn Nachfrage aus dem Ausland wird der deutschen Konjunktur diesmal wohl nicht (wie früher üblich) zur Hilfe eilen. Andere Länder haben ja dieselben oder noch größere Probleme wie wir.

Die Krise ist erst vorbei, wenn das globale Pandemiegeschehen durch entsprechende medizinische Lösungen unter Kontrolle ist. Bis dahin sollte man vorsichtig sein, die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes zu verteufeln oder die Rückkehr zur schwarzen Null zu fordern.

Jens Südekum, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorfer Institute for Competition Economics (DICE) sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, kommentiert die aktuellen Quartalszahlen des Statistischen Bundesamtes.

 

Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 wirft zahlreiche Fragen nicht nur zu den gesundheitlichen, sondern auch zu wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Folgen auf. Die Wissenschaft liefert hier entscheidende Fakten und Antworten. Viele Forscherinnen und Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) aus unterschiedlichen Disziplinen sind durch ihre Arbeit aktuell gefragte Gesprächspartner der Medien oder auch direkt in das Pandemie-Krisenmanagement eingebunden. Die HHU möchte ihre wissenschaftliche Expertise in die öffentliche Diskussion einbringen, um so zur Einordnung und Bewältigung der Corona-Krise beizutragen.

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Kategorie/n: Schlagzeilen, Pressemeldungen, Titelmeldung2, Corona-Expertisen
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